Impuls zum 16. Mai 2021
Von Dr. Reinhard J. Voß, Wethen
Gott ist die Liebe
Eröffnung
Wir beginnen diesen Gottesdienst:
Im Namen Gottes, der uns Vater und Mutter ist,
im Namen unseres Bruders und Meisters Jesus Christus,
und im Namen der Heiligen Geistkraft, die uns erfüllt. AMEN
Einführung
Die Texte für diesen siebten und letzten Sonntag in der Osterzeit sind genommen aus der Apostelgeschichte sowie dem Johannes-Brief und -Evangelium. Heute knüpfe ich gerne bei den Ausführungen von Ferdi Kerstiens vom letzten Wochenende an. Die Texte heute erklären und erleuchten uns, damit unser erneuerter Osterglaube an die Auferstehung sich bewähren und das Bewusstsein der bleibenden Gegenwart Jesu Christi konkret werden kann.
Es geht weiter darum, was es heißt, „in der Liebe“ zu bleiben.
Lied über die Liebe (Text: E. Bücken u.a.)
- Liebe ist nicht nur ein Wort. Liebe, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Liebe ist Jesus geboren, als Zeichen der Liebe für diese Welt.
- Freiheit ist nicht nur ein Wort. Freiheit, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Freiheit ist Jesus gestorben, als Zeichen der Freiheit für diese Welt.
- Hoffnung ist nicht nur ein Wort. Hoffnung, das sind Worte und Taten. Als Zeichen der Hoffnung ist Jesus lebendig, als Zeichen der Hoffnung für diese Welt.
- Kirche ist nicht nur ein Wort. Kirche, das sind Worte und Taten. Ein Zeichen des Friedens hat Jesus gegeben: Gemeinschaft für alle an seinem Tisch.
Die Lesungen des letzten Sonntags in der Osterzeit
„Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm/ in ihr.“ Liebe ohne Glauben und Vertrauen kann sich schnell in Luft auflösen, Glaube ohne Liebe kann sehr bald in Engstirnigkeit landen, Hoffnung kann beide tragen, wenn sie sich ihr anvertrauen.
Paulus fasst die zentrale Botschaft Jesu für die junge Gemeinde in Korinth so zusammen: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe. (1 Kor 13,13)
Wir besinnen uns kurz auf dieses starke Drei-Eck
- Was ist die Stärke des jeweiligen „Ecks“? – Glaube - Hoffnung- Liebe
- Was ist seine wohl größte Schwäche oder Gefahr?
- Und was kann jedes Eck den beiden anderen an Unterstützung geben?
Im ersten Johannesbrief unterstreicht der Autor die Bedeutung der Liebe für den Glauben: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns bleibt (nämlich): Er hat uns von seinem Geist gegeben. (…) Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“ (1 Joh 4, 11-16)
Diese Übertragung, diese Ansteckung, dieser Impuls Jesu zur bedingungslosen Liebe zu unseren Mitmenschen und Mitgeschöpfen wird uns in einer weiteren Lesung verdeutlicht. Wir hören aus der Apostelgeschichte (Apg. 1, 15-17. 20a-26), wie das Los angewandt wird: in einem Entscheidungsmoment innerhalb der Gruppe der Jünger, die Judas durch seinen Verrat verlassen hatte, wählen diese im Vertrauen auf Gottes Liebe per Los Matthias zu dessen Nachfolger– dies wird nach dem Gebet als Gottes Wort und Entscheidung anerkannt!
Zu diesem Los habe ich ein paar aktuelle Gedanken: Es gab keine ermüdenden, sich verfeindenden Debatten um die Kandidaten-Auswahl, wie in der deutschen Politik im April dieses Jahres und wie so häufig im heutigen Zusammenleben. Ich schlage sogar einen Bogen zu Kardinal Reinhard Marx und seinem Verzicht auf die Annahme des Bundesverdienst-Kreuzes. Das war doch ein unerwartetes, erstaunliches Zeichen. Ein Zeichen der Anerkennung des Glaubenssinnes des Volkes Gottes. Denn einige Betroffene von klerikalen sexuellen Übergriffen hatten ihrerseits Verwunderung und Protest bekundet: sie mahnten vor einer solchen öffentlichen Ehrung die Klärung noch ausstehender Fälle aus der Trierer bischöflichen Amtszeit an. Und der Kardinal und vormalige Bischof von Trier zog seine Kandidatur zurück. Damit wurde eine Eskalation vermieden und um Vertrauen geworben.
Die Losentscheidung der Jünger ist die wohl letzte Gemeinschafts-Entscheidung vor der Pfingst-Erfahrung. Dann kommt eine neue Stufe der Entwicklung: Am nächsten Sonntag feiern wir genau diese Ermutigung zum freien Handeln in Gottes Geist, die weniger die spätere Hierarchie begründet als vielmehr die neue Geisteskraft schenkt und stiftet – nicht nur für den Klerus, sondern für alle Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu Christi. Insofern wird dieses Wunder der Geisteskraft-Weitergabe in der gesamten Kirchengeschichte immer wieder an den „Glaubenssinn des Gottesvolkes“ erinnern.
Das Sonntagsevangelium ist heute genommen aus Joh. 17, Vers 6a und 11b-19.
Vor seinem Leiden hatte Jesus seinen Vater für seine Jünger gebeten (Joh 17,15-16):
„Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.“
Dieses Wort „Sie sind nicht von der Welt“ hat mich lange in meiner Jugend geärgert und ist häufig auch bewusst als Weltflucht missverstanden worden. Das Gegenteil ist der Fall. Das will ich kurz erklären. Nicht von der Welt sein? Wenn man doch gleichwohl in ihr lebt?! Was soll das bedeuten? Wir sollen uns nicht der Welt mit ihren ansteckenden Ängsten, ihren Gewalt- und Größenphantasien, ihren Kriegen und Verfolgungen, ihren Ausgrenzungen und Ausbeutungen gleichmachen. Wir sollen uns ihrer Nöte und Sorgen annehmen, ohne darin unterzugehen. In „Gaudium et Spes“ hat uns das Zweite Vatikanische Konzil erneut klar ermahnt und gestärkt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute … sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger[innen] Christi.“
Genau diesen Satz diskutieren wir gerade in einer der vier Nachbarschaftsgruppen unserer Ökumenischen Gemeinschaft Wethen. Er klingt sehr anspruchsvoll, vielleicht sogar hohl. Aber gerade deshalb wollen wir uns dem starken Konzils-Satz von vor 55 Jahren stellen: in Konflikten untereinander, in Supervisions- und Intervisions-Gesprächen, bei Themen-Abenden (derzeit leider nur im Internet) und in unserem Umgang oder Mit-Gang mit Fremden, Neuen, Flüchtlingen, Suchenden und von Einsamkeit bedrohten Mitmenschen.
Gebet
Guter Gott, lehre mich und gib mir
- die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und
- Dinge zu lassen, die mich überfordern oder ablenken;
- Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und
- Das zu tun, was ich tun kann und muss;
- Und die Weisheit, das eine immer besser vom anderen zu unterscheiden.
(Text abgewandelt nach Friedrich Christoph Oetinger)
Fürbitten
Gott hat uns zuerst geliebt. Wir Christen sind also Nachfolger*innen Christi, weil sie „mit ihm, durch ihn und in ihm“ Gottes Liebe angenommen haben, sich also geliebt und geachtet und ermutigt fühlen, gut zu sein und Gutes zu tun in der Welt.
In diesem Sinne bitten wir
- Für alle Suchenden: mögen sie dem Ziel ihrer Suche näherkommen, denn „unruhig ist unser Herz bis es ruhet in Gott“ (nach Augustinus).
- Für alle Leidenden: mögen sie in ihrem Leiden den Wert dessen neu erkennen, was sie verloren haben.
- Für alle Verzweifelten: mögen sie in allem, was bei und in ihnen zusammenbricht, auf neuen Grund stoßen, der sie tragen kann.
- Für alle Engagierten: dass sie sich in ihrer Solidaritätsarbeit nicht selbst zugrunde richten, sondern entdecken und tiefer begreifen, was es heißt: du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst.
- Für alle Kranken und durch Corona Gefährdeten: dass sie neues Vertrauen finden.
- Für alle Sterbenden: dass sie in aller Not Dankbarkeit für ihr Leben finden.
- Für alle Toten, dass sie ruhen in Frieden.
- Für eine Zukunft unserer Erde: dass alle Lebewesen mehr gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme erfahren.
Dies alles erbitten und erhoffen wir in Christus Jesus, unserem Freund und Bruder. Amen.
Gebet
Wir fassen alle unsere Wünsche, Bitten und Gedanken zusammen in dem bekannten Gebet „Liebe üben“. Ein Gebet im Geiste des Hl. Franziskus von Assisi:
Oh Herr,
mache mich zu einem Werkzeug
Deines Friedens.
Dass ich Liebe übe,
da wo man mich hasst;
dass ich verzeihe,
da wo man mich beleidigt;
dass ich verbinde,
da wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage,
da wo Irrtum herrscht;
dass ich den Glauben bringe,
wo Zweifel ist;
dass ich Hoffnung wecke,
wo Verzweiflung quält;
dass ich Dein Licht anzünde,
wo die Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe,
wo der Kummer wohnt.
Ach Herr, lass mich trachten:
nicht, dass ich getröstet werde,
sondern, dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde,
sondern, dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde,
sondern, dass ich liebe.
Ach Herr, lass mich trachten:
nicht, dass ich getröstet werde,
sondern, dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde,
sondern, dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde,
sondern, dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt,
der empfängt;
wer sich selbst vergisst,
der findet;
wer verzeiht,
dem wird verziehen;
und wer stirbt,
der erwacht zum ewigen Leben. Amen.
(Dies Gebet wird gern dem Heiligen Franziskus zugeschrieben, ist aber wohl ca. 1917 während des Ersten Weltkrieges aus der Not entstanden.)
Lied GL 358:
Ich will dich lieben. Sieben Strophen zum Singen, oder zum Beten und Meditieren des Geheimnisses von Gottes- und Menschenliebe.
Diesen Text schrieb Angelus Silesius 1657, 9 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg bzw. nach dem Frieden von Münster und Osnabrück! Dort wurde der erste Schritt zum modernen Rechtsstaat getan und das Zeitalter der Religionskriege in Europa beendet.
Vater unser
Ein notwendiges aktuelles Nachwort
Zum Glaubenssinn des Volkes Gottes noch ein Hinweis auf ein Beispiel der letzten Woche. Der prophetische Glaubenssinn des Gottesvolkes erscheint zum Beispiel bei einer Aktion der „Ordensleute für den Frieden“, in der sich seit Jahrzehnten Kleriker und Laien verbinden. Anlässlich des digitalen Ökumene-Kirchentages (ÖKT) vom 13.-16. Mai 2021 in Frankfurt/ Main halten die "Ordensleute für den Frieden" eine zusätzliche Mahnwache vor Ort, am 12. Mai vor der Deutschen Bank. P. Gregor Böckermann, der seit dem Anfang dabei war, schreibt dazu:
„Seit gut 30 Jahren demonstrieren sie jeden ersten Donnerstag im Monat, um die unheilige Allianz zwischen Wirtschaft, Staat, Militär und Kirche anzuprangern. Davon zeugen unsere Transparente wie: „Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen“, „Krieg braucht Kapital - Kapital braucht Krieg“, „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. "Schaut hin" ist das offizielle Motto des ÖKT. Es bezieht sich auf die Bibelstelle Mk 6,38, in der Jesus seine Jünger auffordert hinzugehen und nachzuschauen wie viele Brote sie haben, um die 5000 zu speisen. Wir sind der festen Überzeugung: Um alle Hungrigen dieser Welt zu speisen, reichen weder Almosen noch caritative Hilfen. Die Kirchen müssen sich vielmehr radikal mit unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem auseinandersetzen, das "tötet", wie Papst Franziskus zu Recht sagt. Dazu soll unsere Mahnwache ein Beitrag sein.“
Auch wenn manche nicht mit dieser Aktion übereinstimmen, mag sie uns Ansporn sein, die Welt weiterhin sehr wachsam mit den Augen des Evangeliums anzuschauen und uns in ihr zu engagieren.
Segenswunsch
Gottes Geist ruhe allzeit auf Dir. Gottes Licht leuchte Dir in Deiner Dunkelheit. Gottes Liebe umfange Dich. Gottes Güte begleite Dich. Gottes Auge wache über Dir. Gottes Ohr neige sich zu Dir und höre Dich. Gottes Mund verkünde Dir sein Wort! Gottes Kraft stütze Dich in Deiner Schwachheit. Gottes Plan baue Dein Haus auf festem Grund. Gottes Weg führe Dich sicher durch dunkle Schluchten. Gottes Quell erquicke Dich mit dem Wasser des Heils. Gottes Freiheit befreie Dich von den Fesseln Deines Ich. Gottes Sonne mache hell Deine Tage. Gottes Regenbogen erinnere Dich an seine Allgegenwart. Gottes Segen sei alle Zeit um Dich herum! AMEN.
(Autor: Heinz Pangels, in: Christ in der Gegenwart/CiG, Nr. 35/2007)