Impuls zum 16. Januar
Von Dr. Ute Zeilmann, Bremen, Kommission Migration
Lied: Unser Leben sei ein Fest (Alois Albrecht)
Unser Leben sei ein Fest.
Jesu Geist in unserer Mitte.
Jesu Werk in unseren Händen,
Jesu Geist in unseren Werken.
Ref.: Unser Leben sei ein Fest
an diesem Morgen (Abend) und jeden Tag.
Unser Leben sei ein Fest.
Brot und Wein für unsere Freiheit.
Jesu Wort für unsere Wege,
Jesu Weg für unser Leben.
Unser Leben sei ein Fest.
Jesu Kraft als Grund unsrer Hoffnung,
Jesu Brot als Mahl der Gemeinschaft,
Jesu Wein als Trank neuen Lebens.
Ist die Party doch wichtiger als Hygiene?
Es ist eine berühmte Geschichte, die uns der Evangelist Johannes als das erste Zeichen der Herrlichkeit des Christus, präsentiert: Die Hochzeit in Kana. Kana ist ein kleines Dorf in Galiläa. Der Ort ist nicht wirklich wichtig. Er ist trotz archäologischer Versuche nicht zu lokalisieren. Außerdem erwähnt nur der Evangelist Johannes diesen Ort. Eine Hochzeit fand zur Zeit Jesu bestimmt oft statt. So ein Fest war im harten, kargen Alltagsleben ein Lichtblick, ein Anlass zu feiern und sich zu treffen unabhängig von der schweren Arbeit als Landwirte oder Fischer. Es ist also alles andere als ungewöhnlich, dass Maria, Jesus und auch seine Jünger auf einer Hochzeit eingeladen sind. Ich meine, es ist auch nicht selten der Fall gewesen, dass dem Gastgeber der Wein ausging. Entweder wollte der Bräutigam, dass alle möglichst schnell wieder nach Hause verschwanden und sich nicht zu ausgiebig auf seine Kosten amüsierten, oder aber er hatte einfach nicht genug Wein, weil er sich mehr nicht leisten konnte. Letzteres wäre eine peinliche Situation und da wäre Jesus wirklich der Retter des Festes gewesen.
Doch was ist, wenn der Bräutigam einfach keine Lust hatte, lange zu feiern und zu trinken? Dann wäre Jesus in der Tat übergriffig gewesen. Dann hätte Jesus dafür gesorgt, dass die Party weitergeht, wofür er aber nicht zuständig ist. Für eine gute Partystimmung wirft er sogar die Reinheitsvorschriften über Bord. Ist Party also wichtiger als Hygiene? Eine spannende Frage, die sich mir beim Lesen der populären Geschichte im Kontext der Corona-Pandemie stellt.
Natürlich ist die allegorische Deutung möglich, die besagt, dass der Gastgeber erst den weniger guten Wein gibt, also die Zeit vor Jesus noch nicht die beste Zeit auf Erden war oder die beste Zeit des Volkes Gottes. Mit Jesus ändert es sich und der bessere Wein wird präsentiert, es kommt eine bessere Zeit. Jesus schlüpft in der Rolle des Gastgebers und lässt die Party, bzw. Heilsgeschichte weiterlaufen. Den antijudaistischen Zügen des Johannesevangeliums traue ich diese Absicht durchaus zu. Wenn Jesus da ist, braucht sich auch niemand mehr um die Reinheitsvorschriften Gedanken zu machen, die es im zeitgenössischen Judentum des Evangelisten nicht aus Gründen der äußerlichen Hygiene, sondern zur innerlichen gab. Schließlich wurden bei solchen Festen und Weingelagen gerne auch mal ethische Grenzen überschritten. Der berühmte Ijob hat nach den Festen seiner Kinder immer mal wieder ein reinigendes Versöhnungszeichen gesetzt. Reflektiert feiern nenne ich das. Und warum nicht? Müssen Partys eskalieren, dass man danach die Wohnung renovieren muss? Müssen gewisse Clubs und vor allem die Toiletten dort wirklich aussehen wie ein Schweinestall? Muss nach einem Festival tonnenweise Müll entsorgt werden? Anscheinend können wirklich reflektiert und trotzdem fröhlich die wenigsten unserer Zeitgenossen feiern.
Silvester liegt nun gut zwei Wochen zurück. Größere Partys waren untersagt. Es sollte nicht zu größeren Unfällen angesichts überlasteter Krankenhäuser kommen und Silvesterpartys nicht zum superspreading event werden. Wir leisteten uns Leichtsinn und Fröhlichkeit, nicht weil man blind davon ausging, dass eh nichts in angetrunkener Feierlaune passiert, sondern weil da ein solidarisches Gesundheitssystem und Rettungssystem da war und ist, das mit vereinten Mitteln und Kräften die Risiken kompensieren konnte und vor allem für wirklich dramatische, nicht fahrlässige Krankheiten und Unfälle, die es in einer unerlösten Wirklichkeit gibt, zur Stelle war und ist.
Trotzdem ist ein solches System nicht ausgestattet für viel zu viel Leichtsinn und auch nicht für eine übertriebene, grenzenlose und verantwortungslose Freiheit und ihre Folgen. Soziale Sicherungssysteme funktionieren auf der Basis des Vertrauens in die Vernunft, Verantwortungsbereitschaft und Rücksichtnahme der meisten Menschen. Doch jetzt erscheint Jesus in der Geschichte als einer, der Vernunft und Rücksichtnahme bei dieser Hochzeit nicht zu kennen scheint?
Kyrie
- Einerseits klingt es toll, was Du, Jesus, machst. Du hältst die Party am Laufen. Du hast Sinn für Feierstimmung und Gastfreundlichkeit. Andererseits: Was ist das für ein Zeichen Deiner Herrlichkeit, dass Du Wasser zu Wein machen kann? Wir Menschen brauchen Wasser dringender als Wein. Wasser ist Überlebensmittel, Wein nur ein Genussmittel. Erbarme dich.
- Einerseits raunzt Du Deine Mutter an, der zuliebe Du wahrscheinlich nur auf dieser Hochzeit eingeladen warst. Andererseits tust Du dann doch, worum sie Dich bittet und was ihr schon lange vor Dir aufgefallen ist. Christus, erbarme dich.
- Einerseits ist es sicher ungewöhnlich und despektierlich, so im Kyrie mit Dir zu reden, Jesus, andererseits ist das angesichts der arroganten Züge, die der Evangelist Johannes Dir andichtet, auch mal nötig, Klartext zu sprechen und zu sagen, was uns bei diesem Bild von Dir irritiert. Herr, erbarme dich.
Gebet
Gott, Zeichen setzt Du für Dein Reich und Deine Herrlichkeit. Prophetinnen und Propheten, Evangelisten und Jüngerinnen haben versucht, diese Zeichen in Worte, Bilder und Geschichten zu packen. Vielfältig und überraschend sind manche dieser Zeichen und das Bezeichnete vor anderen aktuellen Kontexten. Hilf uns, das Gute, Ermutigende, Aufrichtende und Orientierende zu erkennen, damit wir anders glauben können, authentischer, lebensnaher, konkreter. Dazu wirke in uns Dein Geist, heute, morgen und alle Zeit. AMEN.
Evangelium
1 Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt und die Mutter Jesu war dabei. 2 Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen. 3 Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut! 6 Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungssitte der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter. 7 Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand. 8 Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist! Sie brachten es ihm. 9 Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es. Da ließ er den Bräutigam rufen 10 und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt aufbewahrt. 11 So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.
Auslegung
Ist Jesus also die Party doch wichtiger als äußere und innere Hygiene? Es passt zum Evangelisten Johannes. Umkehraufforderungen hört man nicht bei Johannes, dem Täufer, keine Versuchungsgeschichten begleiten den Auftritt des Messias in Galiläa. Dieser tolle Typ muss nicht mal um Jünger, die ihm folgen, werben. Jesus muss nur sagen, kommt und seht, und schon folgen ihm die Jünger nach. Alles ist überstrahlt von der Herrlichkeit des Auferstandenen, von der Gegenwart des endzeitlichen Heils für alle, die in Jesus den Messias erkennen. Das nämlich, so das erste Kapitel vor dieser Geschichte von der Hochzeit in Kana, kapieren nämlich die wichtigsten Figuren im Umfeld Jesu durchaus. Mit Jesus, dem Christus und dem Glauben an ihn, kommt Feierlaune auf. Da kann Wein der Freude in Strömen fließen, da ist die verheißene Freude in Fülle greifbar.
Mich beeindruckt diese Überzeugung der johanneischen Theologie durchaus und ich gewinne dem auch positive Aspekte ab. Nur erleben wir sehr deutlich, wie unerlöst und wenig herrlich unsere Wirklichkeit eben ist: Da ist die Pandemie, wo einigen lautstarken Fackelträger:innen und Protestler:innen Party doch wichtiger ist als Hygiene und Infektionsschutz. Da sind zu viele, die ihr Gewissen nicht mehr reinhalten und nur hetzen und spalten. Da sind zu viele, die jammern, wenn keine Hochzeit groß gefeiert werden kann, weil weniger Menschen zu Familienfeiern zusammenkommen dürfen, anstatt froh und glücklich zu sein, die Person gefunden zu haben, mit der man das ganze gemeinsame Leben noch verbringen möchte und gefordert ist, fröhlich, festlich den gemeinsamen Alltag zu gestalten. Da ist politisches Säbelrasseln und Taktieren, Hass und Hetze und Polarisierungen an so vielen Orten. Hält man das nur aus, wenn man 600 Liter Wein in sich hineinkippt und vergisst und verdrängt, wie respekt- und würdelos die politische und öffentliche Debatte teils schon verkommen ist? Da vegetieren seit Jahren Menschen auf europäischem Gebiet in der Hoffnung auf Schutz vor Elend, Krieg und Gewalt, Hoffnung auf Anerkennung ihrer Rechte und Würde in Lagern vor sich hin, die seit Jahren, teils Jahrzehnten schon keinen Grund mehr zum Feiern hatten. Da ist das große Versagen und Vertuschen in der römisch-katholischen Kirche und der unfassbar große Verlust an Glaubwürdigkeit, bei dem mir jeder Schluck Wein, selbst gewandelt als Blut Christi, im Hals stecken bleibt.
Ganz ehrlich, lieber Evangelist Johannes, da brauch ich andere Zeichen der Herrlichkeit des Christus, als dass er Wasser zu Wein wandeln kann. Akzeptieren kann ich es nur, wenn er damit den Frieden in der Ortschaft und Familie wiederhergestellt hätte und den Bräutigam vor einer echten Blamage bewahrt hätte. Und akzeptieren kann ich es, wenn wir dann mal in der Herrlichkeit Gottes ganz angekommen sind, wo Wein uns nicht mehr betrunken macht, sondern das Zeichen ist, dass unsere ewige Freude am ewigen Frieden und Wohlergehen für alle zum Ausdruck bringt. Doch vorher gibt es noch viel zu tun und dabei brauchen wir einen klaren Kopf und andere ermutigende Zeichen. So bin ich froh, dass uns dieser 2. Sonntag im Jahreskreis noch Paulus und den Ersten Korintherbrief anbietet.
Lesung
4 Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. 5 Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. 6 Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. 7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. 8 Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, 9 einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, 10 einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. 11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.
Antwort
Gut, wenn Jesus die Gabe hatte, Wasser in Wein zu wandeln, sei es ihm gegönnt. Jeden Menschen aus einer Bredouille im Alltag oder einem Fest zu retten, trau ich ihm ja auch zu. Doch dieser Geist hat viele dieser Gaben, die Jesus auszeichnen, weitergegeben. Die Charismen sind allen Getauften gegeben, damit sie anderen nützen. Ich hoffe auf diese Hochzeit im ursprünglichen Sinn, dass eine Zeit kommt, in der in dieser Welt und dieser Kirche wirklich alle ihre Charismen entdecken, entfalten und weiterentwickeln können: Dass Kinder in die Schule können und nicht als flüchtende Kinder in einem Lager oder als Kinder in tiefer Armut keine Bildungsmöglichkeiten bekommen. Dass mehr ausgebildet sind, mit nicht militärischen Konfliktlösungsstrategien Konflikte zu beenden und wirklich nachhaltig Frieden stiften. Dass Menschen wieder die positiven Gestaltungsräume in einer demokratischen Gesellschaft sehen und mitarbeiten am Aufbau eines gesellschaftlichen Grundkonsenses, der von Solidarität und Mitgefühl geprägt ist. Dass Menschen wieder fröhlich vertraut miteinander feiern können ohne Ausgrenzungen, Beschimpfungen und Sorgen, dass sie reflektiert feiern können. Dass Menschen wieder Freude finden an Rücksichtnahme, Zufriedenheit, Fairness, Fürsorge, Wertschätzung und Hilfsbereitschaft.
Dazu schenke Gott uns diese Gaben
- Die Weisheit des Herzens, um Mitgefühl zu stärken.
- Die Fähigkeit, das Gute und Lebensförderliche zu erkennen und zu wählen.
- Die Glaubenskraft, um in der Arena des Missbrauchs dieser Kirche, anders glauben und anders Kirche-Sein zu lernen und dem Evangelium treu zu bleiben.
- Das Engagement, uns für kranke Menschen und ein stabiles Gesundheitssystem einzusetzen und für erschöpfte Pflegekräfte bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen.
- Die Einsicht, Macht positiv und partizipativ zu gestalten im Sinne der aufrichtenden, vergebenden Vollmacht Jesu.
- Den Mut, prophetisch zu reden, Unrecht beim Namen zu nennen und für Gerechtigkeit einzutreten.
- Die Fähigkeit, zu unterscheiden, welche Geisteshaltungen unsere demokratische Ordnung zerstören und welche sie fördern.
- Die Gabe, Deine Zeichen der Zeit zu erkennen und im Licht des Evangeliums zu deuten und hörbar und verstehbar zu machen, vor allem durch die Tat.
Um das Wachsen dieser Gaben bitten wir Dich auch im Gebet, das Jesus uns anvertraut hat.
Vater unser
Segen
Das Zeichen der Herrlichkeit ist ein Zeichen der Ohnmacht, das doch zu einem Zeichen der Stärke geworden ist. Es ist zum Zeichen der Hoffnung auf Auferstehung zu einem Leben ewiger Feierstimmung und herrlicher Festgemeinde geworden. Dieses Zeichen ist auch Zeichen des Segens und so gehen wir in eine neue Woche unter dem Zeichen des Kreuzes:
Behütet von einem väterlichen und mütterlichen Gott,
herausgefordert von Jesus Christus, dem Sohn,
ermutigt und erfüllt von der Heiligen Geistkraft.
AMEN.