Impuls zum 25. April 2021
Von Josef Freise (Neuwied), Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von pax christi
Evangelium Johannes 10, 11-18
(Einheitsübersetzung)
11 Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. 12 Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, 13 weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. 14 Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, 15 wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. 16 Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. 17 Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. 18 Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es von mir aus hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen.
Auslegung des Evangeliums
Wenn wir dieses bekannte Gleichnis vom Hirten und den Schafen hören, läuft bei vielen von uns ein inneres Bild ab: Da sind die Hirten, die Kleriker, die Priester und Bischöfe – Pastor heißt ja übersetzt „Hirte“ – und da sind die Laien, das sind die Schafe. „Ich tue mich schwer mit dem Evangelium, weil mir Augenhöhe wichtig ist und ich sehe keine Augenhöhe zwischen dem Hirten und den Schafen“, sagte jemand beim Bibelgespräch zu diesem Text.
In meiner Stadt Neuwied gibt es die Herrnhuter Brüdergemeine, eine evangelische Freikirche, die ihre Ursprünge in der Bewegung der Hussiten um den Reformator Jan Hus hat. Einmal fragte mich der Pfarrer der Herrnhuter: „Sie sind doch Katholik. Wissen Sie eigentlich, dass wir immer noch auf eine Entschuldigung der Katholiken gegenüber uns Herrnhutern warten? Die Katholiken haben unsere hussitischen Vorfahren ermordet und das einzig und allein aus dem Grunde, dass sie sich als Laien das Recht nahmen, selber die Bibel zu lesen. Die Katholische Kirche war der Auffassung, das dürften nur die theologisch gebildeten Kleriker.“
Am Umgang der Katholischen Kirche mit der Bewegung des christlichen Reformators Jan Hus wird deutlich, dass sich hier eine Klerikerschicht an Gottes Stelle gesetzt hat und das Evangelium zu einer machtvollen Unterdrückung instrumentalisiert hat. Nur wenn wir diese schlimmen Traditionen aufarbeiten, können wir auch den Kern des Evangeliums vom guten Hirten wieder freilegen. Natürlich wird heute niemand mehr umgebracht, weil er als Laie die Bibel lesen will. Aber der Ungeist des Machtmissbrauchs ist noch nicht besiegt. Liturgisch sehen wir das daran, dass Laien offiziell immer noch nicht in der Messe predigen dürfen. Frauen durften bis vor kurzem offiziell noch nicht einmal den Altarraum betreten, geschweige denn Kommunion austeilen, eine vatikanische Regelung, die Papst Franziskus endlich abgeschafft hat. Erst wenn wir diese unselige Machttradition wirklich erkannt haben und verändern, werden wir wieder zu dem finden können, was dieses Evangelium eigentlich aussagen will.
Ich lese das Evangelium so: Wir sind alle Schafe, wir sind alle Gottes Kinder, die den Schutz Gottes brauchen. Wir sind alle bedürftig nach Schutz, wir brauchen alle Orientierung, Zuwendung, Anerkennung. Gott verspricht sie uns als der gute Hirte.
Als Ebenbilder Gottes sind wir alle irgendwann in unserem Leben auch Hirten für Menschen: für die eigenen Kinder, für die alt und bedürftig gewordenen Eltern, die unsere Zuwendung und Fürsorge brauchen, für Freunde und Menschen, für die wir uns verantwortlich fühlen.
Wir können also je nach Situation beides sein: Schafe und Hirten. Das Evangelium taugt nicht für eine Separierung des Kirchenvolkes in Kleriker und Laien und für die Installation von „Oberhirten“. Zu oft erleben wir eine kirchliche Praxis, die nicht von Augenhöhe geprägt ist.
Wir dürfen das Evangelium auch so deuten: Gott geht auf Augenhöhe mit den Menschen, indem Gott in Jesus Mensch wurde. Jesus zeigte durch sein Handeln, wie wir respektvoll und auf Augenhöhe miteinander umgehen können, wenn wir uns umeinander kümmern, wenn nicht Macht, sondern Liebe und Barmherzigkeit unser Handeln bestimmen. Jesus war ganz für die Menschen da und er behandelte die Menschen nicht von oben herab. Er kannte und liebte die Seinen, er war offen für alle Menschen, auch für die aus einem anderen Stall. Er schloss niemanden aus.
Wenn wir auf das Leben Jesu schauen, dann kann die gute Nachricht vom Reich Gottes aufscheinen, vom Leben in Fülle hier und jetzt, von einem Leben, in dem Gott für uns sorgt, in dem Menschen aufeinander achten und füreinander sorgen, in dem niemand auf der Strecke bleibt.
Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Er ist unser Hirte, der uns Wege bahnt, der uns führt in die Freiheit eines neuen Lebens und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn.
Er hat den Hirtenstab von seinem Vater übernommen, uns zu begleiten bei Tag und bei Nacht bei Sonne und Sturm in den Tiefen unseres Lebens. An ihm können wir uns orientieren. Er gibt uns Halt.
Ich glaube an den heiligen Geist.
Der heilige Geist ist uns versprochen und will immer für uns da sein, uns leiten und führen. Der heilige Geist, der alle Menschen begleitet und führt, in allen Völkern, Kulturen und Religionen.
Ich glaube an die heilige Katholische Kirche.
Katholisch heißt umfassend: Es ist die umfassende unsichtbare Kirche Jesu Christi, an die ich glaube. Sie grenzt niemanden aus. Der auferstandene Christus findet seinen Weg auch zu den Schafen aus einem anderen Stall, aus einer anderen Konfession und Religion.
Ich glaube an die Vergebung der Sünden.
Weil Du nicht richtest über deine Schafe, die den Weg aus den Augen verloren haben.
Ich glaube an die Auferstehung der Toten.
Vor allem für die Menschen die in dieser Pandemiezeit zu dir gerufen wurden und nicht die Möglichkeit eines Abschiedes von ihren Lieben hatten, ein letztes Gespräch mit einem Seelsorger, eine Krankensalbung
Und ich glaube an das ewige Leben.
Das Leben in Fülle jetzt schon hier auf Erden und in Deiner Ewigkeit, Amen.
Maike Schudy
Psalm 23
Manchmal hilft es, einen biblischen Text in unterschiedlichen Übersetzungen zu lesen und zu hören, weil sich dann unterschiedliche Assoziationen einstellen – das gilt besonders für Texte, die altvertraut und zum Teil auch belastet sind. Hier kommt der Psalm 23 einmal in der Einheitsübersetzung und dann in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache:
Einheitsübersetzung 2016
Der gute Hirte
Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen.
Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.
Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher.
Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten.
Übersetzung aus der Bibel in gerechter Sprache
Ein Psalm. Von David.
Adonaj weidet mich, mir fehlt es an nichts.
Auf grüner Wiese lässt Gott mich lagern,
zu Wassern der Ruhe leitet Gott mich sanft.
Gott lässt meine Lebendigkeit zurückkehren.
Gott führt mich auf gerechten Spuren –
so liegt es im Namen Gottes.
Wenn Finsternis tief meinen Weg umgibt,
fürchte ich nichts Böses.
Ja, du bist bei mir,
dein Stab und deine Stütze – sie lassen mich aufatmen.
Du bereitest einen Tisch vor mir,
direkt vor denen, die mich bedrängen.
Mit Öl salbst du mein Haupt.
Mein Becher fließt über.
Nur Gutes und Freundlichkeit
werden mir alle Tage meines Lebens folgen,
und ich werde zurückkehren in das Haus Adonajs
für die Dauer meines Lebens.