Impuls zum 10. Juli 2022
Von Thomas Nauerth (Bielefeld) und Josef Freise (Neuwied)
Lied
GL 365 Meine Hoffnung und meine Freude
Friedensgebet der Mönche des Europaklosters Gut Aich
Allmächtiger, gütiger und barmherziger Gott, rühre du die Herzen der Menschen an und gib uns Gedanken des Friedens und der Versöhnung.
Erfülle du die Menschen mit Ehrfurcht vor dem Leben eines jeden Einzelnen, vor dem Leben aller Völker, Religionen und Nationen und vor dem Geschenk der Schöpfung. Gib, dass der Wille zum Frieden den Hass überwindet und Rache der Versöhnung weicht.
Lass die Menschen erfahren, dass sie alle deine Kinder und Geschwister sind, denen du deine Liebe schenkst. Und lass uns selbst in dieser Liebe leben.
Gütiger Gott, mach uns und alle Menschen zum Werkzeug deines Friedens.
Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn. Amen.
Wir haben dieses Mal nicht die Lesungen des Tages zugrunde gelegt, sondern möchten eine Geschichte aus dem 2. Buch Könige zur Grundlage nehmen – eine Geschichte, die es verdient hätte, in die Sonntagslesungen aufgenommen zu werden:
Lesung aus dem 6. Kapitel im 2. Buch Könige
Der König von Aram befand sich im Krieg mit Israel. Daher beriet er sich mit seinen Offizieren und sagte: »An diesem Ort bringen wir uns in Stellung.« Daraufhin schickte der Gottesmann einen Boten und ließ dem König von Israel ausrichten: »Hüte dich davor, dich diesem Ort zu nähern! Denn dort liegen die Aramäer in Stellung.« Also war der König von Israel vorsichtig und schickte Boten los. Die sollten den Ort auskundschaften, vor dem sie der Gottesmann gewarnt hatte. Das geschah öfter, nicht nur ein- oder zweimal. Da beunruhigte sich das Herz des Königs von Aram. Er rief seine Offiziere und sprach: »Einer von uns hält sich zum König von Israel. Sagt mir, wer das ist!« Darauf antwortete einer seiner Offiziere: »Nein, mein Herr und König. So ist es nicht. Elischa, der Prophet in Israel, ist an allem schuld. Er kann dem König von Israel sogar sagen, was du in deinem Schlafzimmer sprichst.« Also befahl der König: »Geht und findet heraus die Stadt, wo er sich aufhält. Ich werde ihn holen lassen.«
Da schickte er eine größere Truppe Soldaten dorthin, gut ausgestattet mit Pferden und Streitwagen. Bei Nacht erreichten sie die Stadt und umstellten sie. Am nächsten Morgen stand der Diener des Gottesmannes nichts ahnend auf. Er ging hinaus und sah die Truppen, Pferde und Wagen: Die Stadt war umstellt! Da sagte der Diener zu seinem Herrn: »O weh, mein Herr! Was sollen wir nur tun?« Er aber sagte: »Fürchte dich nicht! Wir haben mehr Beistand als sie!« Dann betete Elischa und sprach: »Herr, öffne seine Augen, damit er es sieht.« Da öffnete der Herr die Augen des Dieners und er konnte es sehen: Der Berg, auf dem Elischa stand, war von Pferden und Wagen aus Feuer umgeben! Als die Aramäer vorrückten, betete Elischa zum Herrn: »Schlag diese Leute mit Blindheit!« Da schlug er sie mit Blindheit, wie Elischa es erbeten hatte. Elischa aber rief den vorrückenden Soldaten zu: »Ihr seid hier falsch. Das ist nicht die Stadt. Ihr müsst einen anderen Weg nehmen. Folgt mir! Ich bringe euch zu dem Mann, den ihr sucht.« Und er führte sie nach Samaria.
Als sie in Samaria angekommen waren, betete Elischa: »Herr, öffne ihnen die Augen, damit sie es sehen!« Da öffnete der Herr ihnen die Augen und sie sahen, dass sie mitten in Samaria waren. Auch der König von Israel hatte sie bemerkt und fragte Elischa: »Soll ich sie töten, mein Vater?« Der aber antwortete: »Töte sie nicht! Was tust du mit denen, die du im Kampf besiegst? Tötest du diese Gefangenen etwa auch? Setz ihnen lieber Brot und Wasser vor, damit sie essen und trinken und zu ihrem Herrn zurückgehen.« Also richtete er ein großes Essen aus, bei dem sie aßen und tranken. Dann ließ er sie gehen, und sie kehrten in ihre Heimat zurück. Seitdem hörten die Überfälle der Aramäer auf, und sie mieden das Land Israel.
nach der Übersetzung der Basisbibel
„Wir haben mehr Beistand als sie“
Was hat ein "Mann Gottes", besser ein "Mensch Gottes", zu tun in Bezug auf Krieg und Gewalt? Im Alten Testament wird lange und heftig um diese Frage gestritten, gestritten mit Hilfe von Geschichten, Geschichte steht neben Geschichte. Mitten in den Kriegserzählungen der Königsbücher findet sich diese kleine Elischageschichte, als Widerspruch und Gegenrede. Sie gibt eine radikale Antwort auf die Frage, was ein Mensch Gottes zu tun hat in Bezug auf Krieg und Gewalt. Jesus von Nazareth und Paulus aus Tarsus werden später an die Theologie dieser Erzählung anschließen.
Ein Mensch Gottes, so unser kleines alttestamentliches Gleichnis, ein Mensch zumindest, der dem biblischen Gott folgt, stört die Kriegsspiele der Mächtigen: "Hüte dich davor, dich diesem Ort zu nähern!" Hüte dich: Er sucht Kriege zu verhindern, Kriege fremder Könige, aber auch Kriege seines eigenen Königs. Der prophetische Informant in den eigenen Reihen führt den eigenen König nicht zu Kampf und Sieg. Ein Musterbeispiel pazifistischer Politikberatung: "Hüte Dich!"
Ein Mensch Gottes macht sich so nicht unbedingt beliebt, die Geschichte ist hier ehrlich. Er hat aber auch keine Angst, er weiß: "Wir haben mehr Beistand als sie". Furchtlos und mit Listigkeit ─ ähnlich furchtlos und listig wie später die Aufforderungen durch Jesus in der Bergpredigt Mt 5,38-41 ─ geht er auf die Bewaffneten zu. Er betet und er handelt, führt die Soldaten mit List in eine Falle, wissend, dass Soldaten bis heute eher mit Verrat rechnen, als mit gewaltfreier Furchtlosigkeit. Er kostet seinen Sieg aber nicht aus, auch seinem eigenen König verbietet er die Gewalt. Die Geschichte hat, wie so viele Erzählungen der Bibel, ihren eigenen Humor: Brot und Wasser fordert er für die feindlichen Soldaten, der König aber, der von Askese nichts versteht, serviert "ein großes Essen", ein Festmahl.
Ist das nur eine schöne biblische Wundergeschichte, ein Märchen jenseits der grausamen Kriegsrealität, wie wir sie gerade u.a. in der Ukraine erleben? Auch dort haben Menschen Ortsschilder vertauscht und den Besatzern gesagt: „Ihr seid hier falsch!“ Das ist bereits gewaltfreier Widerstand, leider viel zu wenig eingeübt. Wir kennen ihn zu wenig und trauen ihm als Christenmenschen zu wenig zu. „Mit der Gewaltfreiheit der Bergpredigt kann man keine Politik machen“, scheint ein unumstößlicher Glaubenssatz zu sein, obwohl er in keinem Katechismus steht.
Mahatma Gandhi aber hat im 20. Jahrhundert gezeigt, wie mit der Bergpredigt große Politik gemacht werden kann. "Die westliche Christenheit muss aus der Bergpredigt neu geboren werden", schrieb 1934 Dietrich Bonhoeffer in tiefer Bewunderung an Gandhi. Der Hindu Gandhi gehört unbestritten zu den Menschen des 20. Jahrhunderts, die die politische Dimension der Nachfolge Jesu mit am besten verstanden haben und kreative Wege für eine Nachfolge im Geist der Bergpredigt gefunden haben.
Wie ist ihm das gelungen? Was auffällt bei Gandhi: sein Mut, seine Kreativität ‒ und sein Beten und Fasten. Müssen wir mehr meditieren, fasten und im Gebet um Inspiration bitten, damit wir aus dem Kreislauf und der Eskalationsspirale der Gewalt herausfinden?
So klein und unscheinbar, ja verborgen dieses Elischagleichnis zunächst scheint, es hat durchaus Echo gefunden im theologischen Diskurs der Bibel:
„Hat dein Feind Hunger, gib ihm zu essen, / hat er Durst, gib ihm zu trinken; so sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt / und der HERR wird es dir vergelten." So heißt es in Sprüche 25,21-22. Paulus zitiert diese Passage in Röm 12 und ergänzt mit der Aufforderung: "Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!" (Röm 12,21).
Das genau ist der Kerngedanke gewaltfreien Widerstands.
Krieg wird dann abgeschafft sein, wenn in Gewaltfreiheit gebildete und erfahrene Menschen, Gruppen und Völker auf einen kriegerischen Angriff nicht mehr kriegerisch reagieren, wenn sie stattdessen kreativ und mutig Wege finden, das Gewissen von genügend Menschen und Gruppen auf der gegnerischen Seite so anzusprechen, dass diese der kriegerischen Aggression ihre Unterstützung entziehen, sodass die Aggression erfolglos bleibt: „Hütet Euch!". Die Elischageschichte, die Haltung der Propheten und der Geist Jesu rufen uns auf, Gewaltfreiheit zu suchen und einzuüben. Wir sollten zumindest im Gebet darum bitten, Wege zu finden, diesem Ruf zu folgen.
kurze Stille
Lied
GL 450 Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht
Wir wollen beten und wir antworten: „Lege deinen Frieden.“
V In unser Herz –
A lege deinen Frieden.
V In unsere Gedanken –
A lege deinen Frieden.
V In unsere Worte –
A lege deinen Frieden.
V In unsere Taten –
A lege deinen Frieden.
V In unserer Beziehung zu unseren Mitmenschen –
A lege deinen Frieden
V in unsere Beziehung zu Dir
A lege deinen Frieden
Lasst uns mit dem Gebet, das wir von Jesus kennen, beten, dass sein Reich kommt, sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit:
Vater unser im Himmel…
Aus einem Gebet von Papst Franziskus
Herr, Gott des Friedens, erhöre unser Flehen!
Flöße uns den Mut ein, konkrete Taten zu vollbringen, um den Frieden aufzubauen. Herr, Gott Abrahams und der Propheten, Du Gott der Liebe, schenke uns die Fähigkeit, alle Mitmenschen, denen wir auf unserem Weg begegnen, mit wohlwollenden Augen zu sehen. Halte in uns die Flamme der Hoffnung am Brennen, damit wir mit geduldiger Ausdauer Entscheidungen für den Dialog und die Versöhnung treffen, damit endlich der Friede siege. Herr, entwaffne die Zunge und die Hände, erneuere Herzen und Geist, damit das Wort, das uns einander begegnen lässt, immer „Bruder“ und „Schwester“ laute und unser Leben seinen Ausdruck finde in „Shalom, Frieden, Salam“! Amen.
Und so segne uns der Frieden stiftende Gott, der Vater, der Sohn und heilige Geist, Amen
Schlusslied
GL 841 (Diözese Würzburg) Wo Menschen sich vergessen...