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Impuls zum 31. Juli 2022

Zum 18. Sonntag im Jahreskreis

Von Odilo Metzler (Stuttgart), Mitglied im pax christi-Bundesvorstand

Haben oder Sein
„Kleine Papierschirme. Zerblasen vom ersten Windhauch, verbrannt von der geringsten Flamme. Zärtlich gehegt - doch ständig getauscht. Dieses Schwindelgefühl vor les espaces infinis, den unendlichen Räumen, nur überwindbar, wenn wir es wagen, schutzlos in sie hineinzublicken. Und sie als Wirklichkeiten zu erkennen, vor denen wir unsere Existenz rechtfertigen sollen. Denn dies ist die Wahrheit, zu der wir gelangen müssen, um zu leben: das All ist, und wir sind nur in ihm."
Dag Hammarskjöld (1905-1961), UN-Generalsekretär

1. Lesung: Kohelet 1,2-3]; 2,21-23-26] 
Windhauch, Windhauch, sagte Kohélet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.
Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? Mich verdross auch mein ganzer Besitz, für den ich mich unter der Sonne anstrenge und den ich dem Menschen überlassen muss, der nach mir kommt. Wer weiß, ob er ein Wissender ist oder ein Unwissender? Jedenfalls wird er über meinen ganzen Besitz verfügen, für den ich mich unter der Sonne angestrengt und mein Wissen eingesetzt habe. Auch das ist Windhauch. Ich stellte mich um und überließ mich der Verzweiflung über meinen ganzen Besitz, für den ich mich unter der Sonne angestrengt hatte.
Denn es kommt vor, dass ein Mensch, dessen Besitz durch Wissen, Können und Erfolg erworben wurde, ihn einem andern, der sich nicht dafür angestrengt hat, als dessen Anteil überlassen muss. Auch das ist Windhauch und etwas Schlimmes, das häufig vorkommt.
Was erhält der Mensch dann durch seinen ganzen Besitz und durch das Gespinst seines Geistes, für die er sich unter der Sonne anstrengt? Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe. Auch das ist Windhauch.
[Nicht im Menschen selbst gründet das Glück, dass er essen und trinken und durch seinen Besitz das Glück selbst kennenlernen kann. Ich habe vielmehr beobachtet, dass dies von Gottes Verfügung abhängt. Denn wer hat zu essen, wer weiß zu genießen, wenn nicht ich?
Ja, es gibt Menschen, denen Gott wohl will. Es sind die, denen er Wissen, Können und Freude geschenkt hat. Und es gibt Menschen, deren Leben verfehlt ist. Es sind diejenigen, die er mit dem Geschäft beauftragt hat, zu sammeln und zu horten und dann alles denen zu geben, denen er wohl will. Auch das ist Windhauch und Luftgespinst.]

2. Lesung: Kolosser 3,1-5.9-11
Ihr habt den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bild des Schöpfers erneuert wird.

Evangelium: Lukas 12, 13-21
In jener Zeit bat einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das Erbe mit mir teilen! Er erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch eingesetzt? Dann sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im Überfluss seines Besitzes lebt. Und er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen Mannes stand eine gute Ernte. Da überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz, wo ich meine Ernte unterbringen könnte. Schließlich sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte unterbringen. Dann werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich! Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.

Impuls
Das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung besitzt 35 Prozent des gesamten Vermögens im Land, die ärmsten 50 Prozent 1,3 Prozent (Zahlen von 2017/2019). Weltweit krallen sich die Vermögendsten 0,01 Prozent der Menschen 11 Prozent des Weltvermögens. Obszöner Reichtum geht einher mit Verarmung. In Afrika stehen Millionen vor dem Verhungern, und in unserem Land werden die Schlangen vor den Tafelläden länger, weil immer mehr Menschen nicht über die Runden kommen. Fast nur noch Erben haben die Chance, Wohnraum zu erwerben.

Um ihren Reichtum zu sichern, bezahlen Superreiche Anlage-, Anwalts- und Lobbyfirmen, um Steuern zu umgehen, Steuerparadiese und Gesetze zu schaffen, die verhindern, dass sie zum Gemeinwohl beitragen müssen. Gerechtigkeits- und Respektversprechen in Wahlkämpfen lassen sich auch deshalb nicht durchsetzen, weil die Anwälte der Reichen mitregieren und Parteien von ihnen finanziert werden. Dazu kam die neoliberale Gehirnwäsche der letzten Jahrzehnte, dass alle Lebensgrundlagen dem Markt zu überlassen sind, die Welt am besten funktioniert, wenn aus allem Profit geschlagen werden kann. Es ist eine „Wirtschaft, die tötet“ (Papst Franziskus).

Internationale Wirtschaftsexperten sehen die westliche Welt auf dem Weg in eine Oligarchie. Viele Verlierer dieser Entwicklung wählen nicht mehr oder wählen Populisten, die ihre Wut gegen noch Ärmere richten. Dass ohne fairen Zugang zu Lebenschancen Demokratien gefährdet sind, liegt auf der Hand.

Die Lesungen heute sind Befreiungstexte. Ein Mann bittet Jesus, ihm zu seinem Erbanteil zu verhelfen. Wie beim jüngeren Bruder im Gleichnis der beiden Söhne (Lk 15), geht es ihm wohl darum, an das Geld der Eltern zu kommen, statt es gemeinsam mit dem Bruder zu nutzen. Jesus entzieht sich der Erwartung und macht am Beispiel des Kornbauers deutlich, wohin das Haben-Wollen führt: in die Abhängigkeit von Besitz, in das Abschneiden vom Leben, in die Unfreiheit. Es bedeutet alle Tage Sorge und Ärger und auch in der Nacht keine Ruhe, heißt es in der Lesung bei Kohelet. Das alles ist „Windhauch“, vergänglich, flüchtig, Schall und Rauch, wie gewonnen, so zerronnen. 
In der Geschichte im Evangelium verliert der Kornbauer, der den Hals nicht voll bekommt, seine Seele und sein Leben. Das letzte Hemd hat keine Taschen, sagt der Volksmund. Wenn wir Besitz hätten, bräuchten wir Waffen, ihn zu verteidigen, sagte Franz von Assisi zu seinem Bischof. 

Die Alternative zum Haben-Wollen ist das Sein (Erich Fromm). Es bedeutet Leben teilen statt sich von Gemeinschaft abzuschneiden, Güter teilen und solidarisch sein, die Bedürfnisse aller achten, achtsam sein für die Mitgeschöpfe, nach dem schauen, was einem selbst gut tut, staunen, sich am Schönen freuen, dankbar sein, vertrauen, hoffen, lieben. Es ist die Haltung des neuen Menschen (2. Lesung).

Ein Segensgebet von Hanns Dieter Hüsch
Im Übrigen meine ich, dass Gott, unser Herr
Uns einen großen Sommer schenke.
Leise Monate
Dass er das Geschrei aus der Welt nimmt
Und Stille verordnet
Er möge diese Stille segnen
Sie denen in die Ohren blasen
Die unsere Zeit noch schneller machen möchten
Und damit noch kürzer und atemloser
Gott unser Herr wir bitten dich: Mach es!
Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann
Unser Auge aufhört zu zappeln
Und unser Ohr wieder richtig hört und nicht alles vergisst
Denen die uns das alles austreiben möchten
Möge Gott der Herr einen Blitz ins Gesäß jagen
Damit sie ihr unmenschliches Tun einsehen
Und die Menschen seines Wohlgefallens in Ruhe lassen
Und wir wollen unseren Herrgott abermals bitten
Dieses Ansinnen von uns überall zu segnen
Und weil es sein muss sofort und immerdar
Danke und Amen.

Hanns-Dieter Hüsch (1925-2005) Kabarettist und Schriftsteller

Gebet für unsere Erde
Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.

Papst Franziskus
Schlussgebet aus der Enzyklika „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ (2015)