Impuls zum 9. März 2025
Von Stefan Voges, pax christi Aachen
Wüstenmoment
In der Bibel ist die Wüste nicht das riesige Sandmeer, an das wir vielleicht als Erstes denken, wenn wir das Wort „Wüste“ hören. In der Bibel meint Wüste einen Ort der Gotteserfahrung. Wüste ist ein Bild für einen Ort und einen Moment, in dem Menschen etwas von Gott verstehen, einen Moment, der das Leben dieser Menschen verändert. Auch im Leben des Jesus aus Nazaret sind die vierzig Tage, die er in der Wüste umhergeführt wird, eine entscheidende Zeit. Weil er sich in dieser Zeit entscheidet.
Um die Wüstenzeit des Jesus aus Nazaret zu verstehen, ist es hilfreich, zu schauen, wo Jesus war, bevor er in die Wüste geführt wird. Jesus kommt gerade von seiner Taufe im Jordan. Dort hatte ihn, so berichtet es der Evangelist Lukas, der Heilige Geist erfüllt, und Gott hatte ihn als geliebten Sohn angesprochen. Jetzt könnte man fragen: Genügt das denn nicht als Vorbereitung, um in Gottes Namen eine andere Welt, das Reich Gottes, zu verkünden? Offensichtlich nicht! Denn es ist derselbe Geist, der ihn gerade erst erfüllt hat, der Jesus nun in die Wüste führt. Dort erfährt Jesus, dass er stärker ist als der Teufel, als das Böse in der Welt. Indem er sich für Gott entscheidet.
Evangelium (Lukas 4,1–13)
Erfüllt vom Heiligen Geist, kehrte Jesus vom Jordan zurück. Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht. In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn. Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten; und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.
Besondere Beziehung
Dreimal stellt der Teufel ihn auf die Probe. Es geht um Essen. Es geht um Macht. Es geht um das Vertrauen auf Gott. Jesus widersteht der Versuchung, sich all das aus eigener Kraft zu verschaffen. Er verwandelt die Steine nicht in Brot, sondern er vertraut darauf, dass ihm das Nötige gegeben wird. Er reißt nicht die Macht an sich, sondern lässt sie bei dem Gott, dem er dient. Und er stellt Gott seinerseits nicht auf die Probe, sondern vertraut einfach. Jedes Mal, wenn er ein Angebot des Teufels zurückweist, bestätigt Jesus die besondere Beziehung zu Gott, die dieser bei der Taufe sozusagen öffentlich gemacht hat. Damit Jesus sich entscheidet.
Übrigens finden wir das, was Jesus in der Wüste durchlebt, im Vaterunser wieder. In der Bitte um das tägliche Brot steckt das Wissen, dass die Nahrung von Gott und aus Gottes Schöpfung kommt. Die Bitte um das Kommen des Gottesreiches ist das Gegenstück zu teuflischer Machtaneignung. Und in der Bitte, dass Gottes Wille geschehen möge, drückt sich das Vertrauen aus, dass Gottes Wille ein guter Wille für die Menschen ist. Im Vaterunser spricht Jesus die Weisheit seiner Wüstenerfahrung aus und gibt sie an uns weiter. Damit wir uns entscheiden.
Vaterunser (Lk 11,1–4)
Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat! Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. / Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen! Und erlass uns unsere Sünden; / denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. / Und führe uns nicht in Versuchung!
Wüste Alltag
Auch wir werden vom Geist in die Wüste geführt, in die Wüste unseres Alltags. Das meint nicht, wie gesagt, dass unser Alltag öde und eintönig ist wie eine Wüste. Das meint vielmehr, dass wir uns Tag für Tag für Gott entscheiden müssen. Indem wir einsehen, dass wir nicht alles machen können, dass uns vieles geschenkt wird. Indem wir nicht danach streben, Macht über andere auszuüben oder andere klein zu machen. Indem wir uns in das Vertrauen einüben, dass wir nicht allein sind, dass Gott an unserer Seite ist. Gewiss ist die Entscheidung für Gott keine leichte und schnelle Sache. Jesus hat schließlich vierzig Tage in der Wüste verbracht. Entscheiden braucht Ausdauer.
Wie Jesus ist uns von Gott eine besondere Beziehung nicht nur angeboten, sondern wirklich geschenkt. Nicht umsonst hat Jesus uns ein Gebet beigebracht, in dem wir Gott ganz persönlich ansprechen. Doch auch wenn diese Zusage, dass wir Kinder Gottes sind, ohne Wenn und Aber gilt – zu einer Beziehung, besonders zu einer besonderen, gehören immer zwei Seiten. Entscheiden wir uns – in unserer Wüste Alltag.